Wie können wir Bestäuber fördern?

Wie Bestäuber ticken, was sie brauchen und was sie stört: Einblicke in die Biodiversitätsforschung an der Landesanstalt für Bienenkunde Hohenheim und der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Heidelberg.

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So kann eine bestäuberfreundliche Staudenpflanzung mit Boden-Nisthabitat aussehen. Foto: LVG Heidelberg

Dass es schlecht um unsere heimischen Bestäuberinsekten steht, hat dank der medialen Aufarbeitung inzwischen auch die breite Öffentlichkeit erreicht. Besonders seit Veröffentlichung der „Krefelder Studie“ (More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas, 2017, Hallmann et al.) ist die Thematik verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Mögliche Gründe werden diskutiert und auch die Forschung intensiviert. Unseren Honigbienen „sehen“ wir schlechte Tracht- und Umweltbedingungen direkt an. Während sie das große Glück haben, dass wir Imker und Imkerinnen sie versorgen und bestenfalls erfolgreich durch das Bienenjahr bringen, leiden Wildbestäuber in ganz anderem Maße an schlechten Lebensraumbedingungen. Doch eines ist klar: Von einer intakten Natur und ausreichend Nahrungsangebot können alle Bestäuber profitieren.

Von Blühflächen, Nistplätzen und Stressfaktoren

Die große Vielfalt unserer heimischen Bestäuber benötigt auch ganz unterschiedliche Lebensräume und Nahrungsressourcen. Allein bei Betrachtung unserer Bienen, die in Deutschland neben der bekannten Bienenart Apis mellifera mit über 585 verschiedenen Arten vertreten sind, zeigen sich sehr unterschiedliche Anforderungen an Nahrungspflanzen, Nistplätze oder die benötigten Materialien für die Nestanlage. Wie können wir diese Vielfalt am besten bedienen, sodass auch seltene Arten eine Überlebenschance haben? Ein Schwerpunkt unserer Untersuchungen lag auf der Evaluierung des Bestäuberzufluges auf verschiedenen Pflanzungen in bebauten Bereichen Baden-Württembergs, um daraus einen öffentlich verfügbaren und praxisorientierten Leitfaden zur bestäuberfreundlichen Anlage von Pflanzflächen entwickeln zu können. Oft sind Städte jedoch nahezu komplett zugepflastert und neue Grünflächen zu schaffen, ist fast unmöglich. Deshalb haben wir als innovative Konzepte auch vertikale Blühmodule getestet, um festzustellen, ob sie Bestäuber in urbanen Räumen mit begrenzter Flächenverfügbarkeit fördern können. Diese modularen Begrünungssysteme können direkt an Fassaden verschraubt werden. Weitere Arbeiten in unserem Projekt wurden zur Eignung unterschiedlicher Bodennistsubstrate oder auch möglicher Stressfaktoren für Bestäuber durchgeführt.

Ein Leitfaden für bestäuberfreundliche Staudenpflanzungen

Doch was finden Bestäuber nun wirklich attraktiv? Welche Pflanzen und Stauden ziehen Wildbienen an? Um das herauszufinden, haben wir in den Jahren 2020 und 2021 an 14 verschiedenen Flächen im Siedlungsraum Baden-Württembergs den Bestäuberzuflug erfasst. Anhand der verschiedenen Versuchsquadrate, die wir je Fläche im Zwei-Wochen-Takt für 15 Minuten ausgewertet haben, konnten wir insgesamt rund 200 Pflanzenarten und Sorten beurteilen. Wenn wir das Glück hatten, eine seltene Wildbienenart zu entdecken, machte uns das auch den einen oder anderen Sonnenbrand wieder wett.

Von den beteiligten Planerinnen und Planern wurden dann die Attraktivsten der untersuchten Pflanzen mit einheimischen Arten kombiniert und daraus Pflanzkonzepte entwickelt, die deren ganz individuelle Handschrift tragen können. Sie verknüpfen die unterschiedlichen Ansprüche an die uns umgebenden Pflanzflächen: Neben einer ansprechenden Gestaltung stehen die komplexen Anforderungen der Bestäuber an Nahrungspflanzen sowie Niststrukturen im Vordergrund.

Um Impulse und Ideen für die Anlage von bestäuberfreundlichen Flächen zu geben, stellen wir die Konzepte, kombiniert mit ausführlichen Hintergrundinformationen und wissenschaftlich erhobenen Bestäuberdaten, seit Kurzem in unserem Leitfaden „Bestäuberfreundliche Staudenpflanzungen im Siedlungsraum“ frei zur Verfügung.

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An unserem Versuchsstandort in Stuttgart-Hohenheim konnten sich die Bestäuber an dieser blütenreichen Fassadenbegrünung bedienen. Foto: LAB Hohenheim

Können Fassadenbegrünungen Bestäuber fördern?

Kurz und knapp: Ja, insofern diese in geeigneter Weise gestaltet wurden. Die begrenzte Flächenverfügbarkeit in Städten und Gemeinden ist ein wichtiger und limitierender Faktor für Artenschutzmaßnahmen, weshalb neue und innovative Konzepte, wie vertikale Bepflanzungen, als Ergänzung zu herkömmlichen Pflanzbeeten sinnvoll und nützlich sein können. Sie haben zudem das Potenzial, einen Beitrag zur Vernetzung der Lebensräume von Insekten in bebauten Gebieten zu leisten. Um hierzu eine Aussage treffen zu können, wurden über zwei Jahre und an zwei Standorten in Baden-Württemberg vertikale Systeme untersucht und mit angrenzenden Pflanzbeeten verglichen. Jedes dieser Beete und Module bestand dabei aus identischen Pflanzkombinationen mit Wildstauden und gängigen Kulturpflanzen: im Wildstaudenmix Blut-Storchschnabel, Echter Lavendel (Wildform), Fetthenne, Frühlings-Fingerkraut, Gefleckte Taubnessel, Große Sternmiere, Ochsenauge, Rundblättrige Glockenblume und Tauben-Skabiose. Im Mix mit den gezüchteten Pflanzen Blaue Fächerblume,

Goldlack, Echter Lavendel, Zweizahn, Sommersalbei, Strauchbasilikum, Zauberglöckchen, Zauberschnee und Zwerg-Sommerflieder. Hier zählten wir in zwei Jahren insgesamt über 12.000 Bestäuber, darunter auch 5777 Wildbienen. Zu den rund 25 erfassten Wildbienenarten gehörten dabei auch Nahrungsspezialisten wie die Gemeine Löcherbiene Heriades truncorum sowie die Scherenbienen Chelostoma campanularum und Chelostoma rapunculi.

Die Vertikalsysteme und Vergleichsbeete zeigen, für alle Bestäuber gemeinsam betrachtet, insgesamt keine großen Unterschiede in ihrer Attraktivität. Schaut man jedoch auf einzelne Bestäubergruppen, dann ändern sich diese Ergebnisse. Während Honigbienen eine klare Präferenz für die horizontalen Pflanzungen hatten, so wurden die Vertikalsysteme hingegen von Wildbienen bevorzugt. Unsere Ergebnisse unterstreichen also das große Potenzial solcher blühenden Fassadenbegrünungen, insbesondere für die Vielzahl an Wildbestäubern.

Wie es weitergeht

Seit April 2022 hat nun ein neues Projekt mit einer Dauer von 3 Jahren begonnen, welches thematisch an unsere vorherigen Arbeiten anschließt. In diesem Projekt soll die Untersuchung und Bewertung von bestäuberfreundlichen Pflanzungen und Fassadenbegrünungen vertieft und ergänzend auch unter ökonomischen Aspekten betrachtet werden. Aus gärtnerischen Gründen entspricht es aktuell der gängigen Praxis, den Boden von Staudenpflanzungen durch eine Mulchschicht abzudecken. Auch hier sollen die biodiversitären Auswirkungen bewertet und Empfehlungen für den Einsatz erarbeitet werden. Die kontroversen Debatten und offenen Fragen um den Nutzen von heimischen Pflanzen und verwandten Kultursorten für Bestäuber sowie zum Konkurrenzverhalten zwischen verschiedenen Bestäubergruppen verdeutlichen den Forschungsbedarf in diesen Bereichen und sind ebenfalls Teil unserer Projektarbeit. Auch hier freuen wir uns dann, in regelmäßigen Abständen von unseren Erkenntnissen zu berichten.

Projekte: „Schutz und Förderung der biologischen Vielfalt in der Stadt und in den Gemeinden (BioVa)“ 2019 bis 2022; „Sicherung und Förderung der Artenvielfalt und Biodiversität im urbanen Raum (Urbane Biodiversität)“ 2022 bis 2025; Projektbeteiligte: Manuel Treder, Vera Joedecke, Ute Ruttensperger, Dr. Kirsten Traynor und PD Dr. Peter Rosenkranz; Finanzierung: Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) im Rahmen des Sonderprogramms zur Stärkung der biologischen Vielfalt Baden-Württemberg.

Der Leitfaden ist öffentlich unter www.biova-leitfaden.de zugänglich. Wir hoffen, auch Ihnen bei der Gestaltung Ihres Gartens nützliche Anregungen und Tipps geben zu können und freuen uns über die Zusendung von Impressionen aus ihrem neu angelegten Garten: manuel.treder@uni-hohenheim.de

von Manuel Treder

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