
Bienenwachs ist ein Wunder der Natur und dasjenige Bienenprodukt, das gegenüber Honig oft ein wenig unterschätzt wird. Dabei hat das Wachs vielfältige Aufgaben: Es ist das bauliche „Rückgrat“ des Bienenvolks, das Gerüst, das ein Schwarm in der neuen Behausung errichtet; außerdem Baustoff für die Vorratskammern, in denen Pollen und Honig aufbewahrt werden, und für die Kinderstube der Bienen. Zudem dient es als Entgiftungsorgan und „materielles Archiv“ des Bienenvolks, weil es fettlösliche Substanzen aller Art in sich aufnimmt, und schließlich auch als Kommunikationsorgan, denn Signale wie der Schwänzeltanz oder das „Tüten und Quaken“ der schwarmbereiten Königin werden über die Schwingungen der Waben übertragen.
Bienenwachs ist ein Drüsensekret, das die Tiere zum Bau ihrer Waben verwenden. Der Mensch lernte es frühzeitig zu schätzen: Es dient als Ausgangsmaterial für eine Vielzahl von Anwendungen, und aus Medizin und Kosmetik ist das Naturprodukt dank seiner besonderen Eigenschaften nicht wegzudenken. Salben und Cremes verleiht es eine festere Konsistenz, und auf der Haut bildet sich ein dünner Schutzfilm. Hausmittel mit Bienenwachs sind leicht herzustellen und liefern Pflegeprodukte, die garantiert ohne schädliche Zusätze auskommen.
Was sind Wachs und Bienenwachs?
Der Begriff „Wachs“ bezeichnet unterschiedliche Stoffe natürlicher und synthetischer Herkunft, denen eine Reihe chemischer und physikalischer Eigenschaften gemein ist: Es handelt sich um bei 20 Grad leicht formbare, fettartige Substanzen, die in Wasser nicht, in organischen Lösungsmitteln dagegen gut löslich sind. Oberhalb von 40 Grad schmelzen sie und bilden eine viskose Flüssigkeit, ohne sich zu zersetzen. Konsistenz und Löslichkeit hängen stark von der Temperatur ab, und unter leichtem Druck sind sie polierbar.
Das altgermanische „wahsa“ bildet den Wortstamm für „Wachs,“ „Wabe“ und „Weben“ und bezieht sich auf das gleichförmige Muster der Bienenwaben. Bienenwachs ist das Paradebeispiel eines natürlichen Wachses. Dabei handelt es sich um das weiterverarbeitete Sekret von vier paarigen Wachsdrüsen an der Bauchseite der Bienen. Solche Fette absondernden Drüsen finden sich bei vielen Insekten. Während die meisten anderen mit dem Wachs ihre Chitinpanzer wasserabweisend machen, benutzen es die Bienen als Baustoff. Auch manche Hummeln und andere Wildbienen legen Waben an, aber viel weniger als die Honigbiene Apis mellifera – diese konstruiert daraus eine komplexe Wohnanlage mit Vorratslagern, Jungenaufzucht und Klimaanlage.
Am aktivsten sind die Wachsdrüsen bei zwölf bis 18 Tage alten Tieren, die als Baubienen die meisten Konstruktionsarbeiten übernehmen. Sie zerkauen das sogenannte Jungfernwachs, reichern es mit Speichel an und bauen damit Waben. Bienenwachs wird bereits bei 32 Grad leicht formbar und lässt sich im Bienenstock bei Temperaturen um die 36 Grad wie Knetmasse verarbeiten. Aneinandergebaut bekommen die anfangs runden Röhrchen durch den Spannungsausgleich im elastischen Material ihre charakteristische sechskantige Form.
Bienenwachs ist fettartig – daher nimmt es leicht Lipide aus der Umgebung auf. Die Carotinoide im Pollenbalsam und Bienenbrot wandern mit der Zeit in das Wachs und verleihen ihm seine typische gelbe Farbe. Darüber hinaus überziehen die Bienen ihre Waben zum Schutz vor Schimmel mit desinfizierender Propolis, die sie aus harzigen Ausscheidungen von Bäumen herstellen. Reste von Puppenhäutchen, Pollenbalsam und Propolis sorgen dafür, dass Bienenwachs mit der Zeit immer dunkler wird.
Inhaltsstoffe des Bienenwachses
Mittlerweile hat man im Bienenwachs über 300 Inhaltsstoffe identifiziert, von denen über ein Drittel flüchtig ist. Etwa 50 davon tragen zum typisch honigartigen Geruch bei. Hauptbestandteil ist Myricin (65 %), eine Mischung von Estern, also chemischer Verbindungen, langkettiger Alkohole mit Fettsäuren. Vorherrschende Substanz in dem Gemisch aus gesättigten und ungesättigten Mono-, Di- und Triestern ist Palmitinsäure-Myricyl-Ester.
Hinzu kommen gesättigte und ungesättigte Kohlenwasserstoffe (14 %), freie Fettsäuren wie Kerotinsäure und Melissinsäure (14 %) sowie freie Alkohole (1 %). Die typischen Aromastoffe machen bis zu 6 % des Bienenwachses aus. Im frischen Jungfernwachs finden sich zudem Eiweiße, die mit der Zeit verschwinden. Im Gegenzug kommen infolge der ständigen Umbauarbeiten Pollen, Honig und Propolis in schwankenden Anteilen hinzu.
Das Bienenwachs unserer einheimischen Honigbiene ist relativ weich. Bei verwandten Bienenarten hat das Wachs eine andere Zusammensetzung und damit auch andere Eigenschaften. Das von Hummeln ist meist geschmeidiger, das der asiatischen Riesenhonigbiene Apis dorsata hingegen steinhart.
Wie wird Bienenwachs gewonnen?
Für die kleinen Tiere ist die Produktion ein Kraftakt: Um ein Kilo Wachs herzustellen, benötigen sie 6 – 7 Kilo Honig an Energie, das haben Tests mit Bienenschwärmen ergeben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der betreuende Mensch mit dem kostbaren Gut sparsam umgeht und es in einem Wachskreislauf wiederverwendet.
Während der Honigernte leert der Imker die Waben mithilfe einer Honigschleuder und schmilzt sie mit Sonnenwachsschmelzer oder Dampfwachsschmelzer ein. Prinzipiell geht das auch auf einem Herd, aber das Erwärmen muss auf jeden Fall vorsichtig erfolgen. Bei übermäßigem und zu langem Erhitzen gehen viele Aromastoffe verloren und das Wachs wird dunkel und brüchig.
Die beste Qualität liefern die Deckel, mit dem die Bienen die Waben verschließen. Dieses Bienenwachs ist besonders rein und hell. Dagegen enthält das von Brutwaben wesentlich mehr Inhaltsstoffe, wie Rückstände der Tiere, aber auch Honig und Propolis. Sie machen das Wachs dunkel und hocharomatisch. Für medizinische Anwendungen ist es wegen seiner vielfältigen Inhaltsstoffe oft sogar am besten geeignet.
In Europa recycelt man das meiste Wachs für neue Mittelwände, an denen die Bienen Waben für ihre Brut und Vorräte anbauen. Bienenwachs für sonstige Zwecke wird größtenteils importiert: ein Drittel davon landet in Kosmetika, ein weiteres Drittel in der Pharmaindustrie, ein Fünftel wird zu Kerzen, der Rest anderweitig verarbeitet. Natürliches Bienenwachs läuft unter der Bezeichnung „Cera flava“ (gelbes Wachs), die gebleichte Form als „Cera alba“ (weißes Wachs).

Bienenwachs als Heilmittel
Die medizinische Verwendung von Bienenwachs reicht weit zurück. In Slowenien fanden Archäologen eine wächserne Zahnplombe in einem Kiefer, den man auf 6500 Jahre datiert. Dreitausend Jahre später erfolgte die erste schriftliche Erwähnung im ägyptischen „Papyrus Ebers“. Im ältesten erhalten gebliebenen medizinischen Dokument ist eine Reihe von Salben, Cremes und Wundauflagen überliefert, in denen man Bienenwachs gegen Gelenkschmerzen, Brand- und Schürfwunden einsetzte. Im antiken Griechenland empfahl Hippokrates bei eitrigen Mandelentzündungen und Halsschmerzen das Kauen von Bienenwaben.
Im alten Rom verwendete man eine Salbe aus Bienenwachs, Olivenöl und etherischen Ölen, die bei Verbrennungen, Wunden und Knochenbrüchen zum Einsatz kam. Dem in Rom tätigen Arzt Galenos von Pergamon sagt man die Herstellung der ersten kosmetischen Hautcreme mit Bienenwachs nach.
Derlei Anwendungen finden ihre Fortsetzung in den Kräuterbüchern des Mittelalters. In ihrer „Physica“ empfiehlt Hildegard von Bingen Bienenwachs in Quendelsalbe bei Juckreiz und Rötungen oder in Veilchensalbe gegen Kopfschmerzen und Migräne. In Hausmitteln leben viele dieser überlieferten Rezepte fort.
In der Schulmedizin spielt Bienenwachs als Heilmittel keine Rolle, wohl aber als unverzichtbarer Zusatzstoff in Medikamenten. Es ist wasserunlöslich und lässt Tabletten die Magensäure passieren, sodass sie sich erst im Darm auflösen und ihre empfindlichen Wirkstoffe freigeben. Zudem lassen sich Pillen mit Wachsüberzug leichter schlucken und Zäpfchen mit Bienenwachs einfacher einführen. Die winzigen Kügelchen vieler Hartkapseln von Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln sind mit einer hauchdünnen Wachsschicht überzogen, sodass sie nicht miteinander verkleben.
Die heilende Wirkung von Bienenwachs wird in der Volksheilkunde wesentlich höher eingeschätzt. So nutzt die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) die als süß und warm geltende Substanz zum Stabilisieren des Qi. Rezepte zur inneren und äußerlichen Anwendung sollen gegen Magen-Darm-Beschwerden, Muskelschmerzen, rheumatische Erkrankungen und Erkältungskrankheiten helfen.
Bienenwachs in der Kosmetik
Dank seiner speziellen Eigenschaften ist Bienenwachs fester Bestandteil vieler Kosmetikprodukte. Bereits kleine Mengen reichen aus, um die Fett-Wasser-Emulsionen von Cremes, Salben, Pasten und Lotionen zu stabilisieren und ihnen eine angenehme Konsistenz zu verleihen. Darüber hinaus findet man es in Lippenstiften, Deodorantien und Produkten zum Haarstyling ebenso wie in Wimperntusche und Lidschatten. „Wachsen“ mit Mischungen von Bienenwachs ist die Brachialmethode zur langfristigen Entfernung unerwünschter Körperhaare.
In vielen Kosmetika ist Bienenwachs zusammen mit weiteren Bienenprodukten verarbeitet, etwa mit Pollen-Extrakten, Propolis oder Gelée royale, die sich in ihren positiven gesundheitlichen Effekten ergänzen. Sie wirken antioxidativ, beugen Entzündungen vor und halten Bakterien fern – Wirkungen, die man mit künstlichen Zutaten wie Paraffinöl und Ähnlichem nicht erzielt. In Haarpflegeprodukten sorgt Bienenwachs für mehr Glanz und Spannkraft, und in Salben hilft es gegen trockene Haut, Dehnungsstreifen und Fältchen.

Bienenwachs kaufen, aufbewahren, verwenden
Pflegeprodukte mit Bienenwachs selber machen? Kein Problem – das Ausgangsmaterial bekommen Sie im Handel in Form von Pastillen, Platten und Blöcken. Erstere sind in der Handhabung am einfachsten. Gute Qualitäten zeichnen sich durch hellgelbe Farbe und intensiven honigartigen Duft aus.
Blöcke und Platten springen, wenn der Hersteller sie nach dem Dampfschmelzen nicht gründlich genug getrocknet hat. Ein grauer Bodensatz deutet auf unzureichende Reinigung hin, und beißender Geruch ist typisch für mit künstlichem Wachs gestreckte Produkte. Erhitzen in ungeeigneten Metallgefäßen färbt Bienenwachs dunkel.
Beim Herstellen Ihrer hausgemachten Cremes und Salben dürfen Sie Bienenwachs nicht zu hoch und nicht zu lange erhitzen, da dadurch die leicht flüchtigen Komponenten verloren gehen.
Ihren Vorrat sollten Sie immer kühl und gut verschlossen aufbewahren, damit sich die aromatischen Bestandteile nicht verflüchtigen. Zudem ist zu beachten, dass das lipophile Wachs Lösungsmitteldämpfe anzieht und speichert. Terpentinhaltige Farben oder Benzinkanister haben in seiner Nähe nichts zu suchen.
Bei längerem Stehen bilden sich Kristalle. Diese sind völlig normal und verschwinden beim Erwärmen. Gleiches gilt für einen weißen Reif auf der Oberfläche. Diese Wachsblüte ist nicht nur unschädlich, sondern gilt als Qualitätsmerkmal.
Rezeptideen mit Bienenwachs
Heilkräftige Salben mit Bienenwachs selber machen
Ein Teil Bienenwachs, sechs Teile Öl – das Grundrezept vieler Salben ist denkbar einfach. Mit Bienenwachs lässt sich in der heimischen Küche so manches herstellen: Ringelblumensalbe für Schürf- und Schnittwunden, Beinwellsalbe bei Zerrungen und Knochenbrüchen oder Veilchensalbe zur täglichen Hautpflege.
Dazu erwärmen Sie ausgezupfte Ringelblumenblüten, den oberirdischen Teil von Märzveilchen oder zerkleinerte Beinwellwurzel mit hautpflegendem Argan-, Kokos- oder Olivenöl und lassen alles über Nacht extrahieren. Das mit Sieb oder Leintuch gefilterte Öl verrühren Sie im Verhältnis 6:1 mit geschmolzenem Bienenwachs, bis die Masse beginnt fest zu werden.
In kleine Tiegel abgefüllt sind diese Hausmittel im Kühlschrank wochenlang haltbar.
Tipp: Ein wenig Honig darin pflegt die Haut noch besser – z. B. als Lippenbalsam.
Wabenhonig gegen Halsentzündungen
Mit seiner Empfehlung ist Hippokrates immer noch up to date: Honigwaben kauen gilt rund um den Globus als probates Heilmittel gegen Entzündungen des Rachenraumes. Moderne Studien haben gezeigt, dass an dem antimikrobiellen Effekt von Honig und Bienenwachs tatsächlich etwas dran ist.
Bienenwachs gegen Gelenkschmerzen, Prellungen und Verspannungen
Gegen diese Zipperlein hilft ein altes Hausmittel: Eine Platte Bienenwachs, die man zwischen zwei Geschirrtüchern mit einer warmen (keinesfalls heißen!) Bettflasche temperiert. Das weich gewordene Wachs lässt man mitsamt Wärmflasche eine Viertelstunde auf der betroffenen Stelle einwirken.
Literatur zu Bienenwachs
- Zittlau, J.: Die heilende Kraft der Bienen: Sanft heilen mit Honig, Propolis, Gelée Royale und Co. München 2020, Heyne-Verlag. ISBN-10: 345360525X.
- Cornara, L.; Biagi, M.; Xiao, J.;, Burlando, B.: Therapeutic Properties of Bioactive Compounds from Different Honeybee Products. Front Pharmaco,. 2017 Jun 28;8:412, doi: 10.3389/fphar.2017.00412. eCollection 2017, PMID: 28701955.
- Krell, R.: Value-Added Products from Beekeeping (FAO Agricultural Services Bulletin). Food and Agricultural Organisation 1996, ISBN-10: 9251038198.
- Kurek-Górecka, A.; Górecki, M.; Rzepecka-Stojko, A.; Balwierz, R.; Stojko, J.: Bee Products in Dermatology and Skin Care. Molecules, 2020 Jan 28;25(3):556, doi: 10.3390/molecules25030556, PMID: 32012913.
von Dr. Harald Stephan, Bienen.info
Mehr Infos zur Heilkraft von Bienenprodukten gibt es im bienen&natur-Sonderheft Gesundheit durch die Biene