
Seit dem Jahr 2000 haben die Chinesen ihre Honigproduktion mehr als verdoppelt. Sie erzeugen inzwischen fast ein Viertel der globalen Honigmenge. Da das Preisniveau deutlich niedriger ist als in anderen Ländern, spielt Honig aus China am Weltmarkt eine besondere Rolle. Es ist so niedrig, dass auch Berufsimker in Regionen mit sehr niedrigem Lohnniveau nicht mithalten können. Die Preise sind so niedrig, dass alle Beteiligten wissen, dass es sich nicht um von Imkern reif geernteten Honig handeln kann.
Honigfabriken in China: Maschinelle Trocknung
Nach dem Motto „Offensive ist die beste Defensive“ gibt es in China seit 2018 eine ganz neue Strategie, um die Führungsposition in Sachen Honig am Weltmarkt zu sichern. Wenn man versucht, die Völkerzahlen in China in Relation zum Honigkonsum im Land und den Honigexporten zu setzen, ergeben sich astronomische Erträge pro Volk. Da liegt der Verdacht sehr nahe, dass in den Honigfabriken mit Reissirup kräftig nachgeholfen wird. Dies ist aber nur ein Teil der Antwort. Die andere liegt in der Betriebsweise. Wenn die Bienen Nektar eintragen und diesem dann das Wasser entziehen müssen, dann kostet beides viel Zeit und Arbeitsleistung des Bienenvolks.
In China hat man dieses Problem nahezu flächendeckend dadurch gelöst, dass man den Bienen die zweite Aufgabe abnimmt und stattdessen den Honig maschinell in der Honigfabrik trocknet. Während der Tracht erntet man schon nach wenigen Tagen und dann sind die Bienen wieder frei, um weiter Nektar einzutragen. Ein sehr hoher Prozentsatz des Honigs wird unreif bei fast 30 Prozent Wassergehalt geerntet und bedarf erheblicher Nachbearbeitung.

Die Betriebsweise lässt den Bienen viel zu wenig Zeit, um ausreichend Enzyme einzubringen. Hier gibt‘s synthetische Abhilfe aus der Retorte. Die unreife Suppe mit zu hohem Wassergehalt und wenig Enzymen ist häufig schon in Gärung, wenn sie in der Honigfabrik ankommt. Entsprechend müssen dann erst mal die Gärung gestoppt und die Hefen herausgefiltert werden. Bei so einem Ausgangsprodukt macht es dann auch keinen großen Unterschied mehr, ob man zusätzlich noch mit Sirup arbeitet. Insgesamt ein sehr „effizienter“ Weg, um viel „Honig“ zu produzieren. Doch dieser Weg ist illegal.
In Deutschland darf nur reifer Honig geernter werden, denn nach der deutschen Honigverordnung darf dem Honig nichts hinzugefügt oder entzogen werden. Der massive Entzug von Wasser verletzt aber nicht nur deutsche, sondern auch europäische und internationale Lebensmittelstandards.
Professionelle Honigverfälschungen
Der Handel erwartet, dass die Honigverfälschungen so professionell gemacht werden, dass sie mit den etablierten Methoden im Labor nicht gerichtsfest nachweisbar sind. Das Wettrennen zwischen den Laboren, den Honigfälschern und ihren Auftraggebern ist ganz ähnlich wie beim Doping im Sport. Bei großen Chargen rechnet es sich, viel Aufwand zu treiben, damit alle Laborparameter passen. Daher haben die Honigfälscher meist die Nase vorn. Das Nachsehen haben die Kunden und die ehrlichen Berufsimker in anderen Regionen der Welt. Der Marktanteil der Chinesen wächst, während ehemals führende Länder wie Argentinien deutlich zurückgefallen sind.

Filtern extrem in der Honigfabrik
Darüber hinaus wird in den Honigfabriken in China so intensiv gefiltert und bearbeitet, dass am Ende scheinbar perfekte Produkte ohne Rückstände herauskommen. Ein Imker, der so arbeitet, wie das Lebensmittelrecht es vorsieht und nur den von seinen Bienen produzierten Honig aus den Waben erntet, hat keinen Einfluss darauf, was in der Landschaft gespritzt oder an gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut wird. Bei der Aufstellung seiner Völker kann er nur versuchen, dieses Kontaminationsrisiko so weit wie möglich zu minimieren. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft wird diese Aufgabe aber immer schwieriger. Das Naturprodukt Honig ist immer auch ein Spiegelbild der Natur.
Wer sich rückstandsfreie Bienenprodukte wünscht, sollte im Supermarkt nicht nur genau auf das Honigglas schauen, sondern sich auch bei allen anderen Lebensmitteln für Ware aus biologischem Anbau entscheiden.
Neuer Standard für Bienenprodukte
Um ihr Geschäftsmodell zu erhalten, haben die Chinesen eine Initiative gestartet, um bei der Internationalen Organisation für Normung (ISO) einen neuen Standard für Bienenprodukte zu schaffen. Dieser Standard soll offensichtlich dazu dienen, die chinesische Praxis zu legalisieren. Der Prozess der Standardisierung ist halbstaatlich.
Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) ist seit 1951 Mitglied der ISO für die Bundesrepublik Deutschland. Da es eigentlich keinen Bedarf für einen weiteren Standard gibt, haben viele westliche Länder das erste Treffen in China 2018 nicht besucht. Alarmiert durch die Honiglabore sind inzwischen einige wenige EU-Mitgliedsstaaten in den Prozess eingestiegen. Sie versuchen zu verhindern, dass China seine Art der Produktion und Verarbeitung von Honig als Standard etabliert. Beim zweiten Treffen in Paris blockierte die chinesische Delegation alle Versuche der anderen Experten, über reale Inhalte zu diskutieren. Keiner der chinesischen Delegierten hatte auch nur die geringste Erfahrung mit Honig.
Zudem hat China als aufstrebende Weltmacht seine diplomatischen Kontakte genutzt, um das Gremium mit Delegierten aus abhängigen Ländern ohne relevante Honigproduktion zu besetzen, während die wichtigsten Honig produzierenden Länder wie Argentinien, Mexiko, Chile, Spanien, Bulgarien, Rumänien, Ukraine nicht anwesend oder noch gar nicht beteiligt waren. Inzwischen sind also nicht die Honigpanscher, sondern die ehrlichen Produzenten in der Defensive.
Apis mellifera & Co.
Ein weiterer neuer Angriffspunkt ist der Teil der Definition von Honig, welcher sich auf die europäische Honigbiene Apis mellifera bezieht. Diese Biene wird zwar inzwischen weltweit – auch in China – für die Honigproduktion eingesetzt. Aber es gibt in anderen Regionen andere Bienenarten, die auch Honige produzieren. Diese Honige haben aber zum Teil einen hohen Wassergehalt und sind ohne technische Trocknung nicht haltbar und spielen daher traditionell im Honighandel nur eine vernachlässigbare Rolle. Aktuell läuft gerade eine Kampagne mit dem Ziel, die geltenden Standards für Honig als Relikt des Kolonialismus darzustellen, und somit das Verbot der Honigtrocknung als Diskriminierung von Entwicklungsländern erscheinen zu lassen.
Vor diesem Hintergrund ist leider zu befürchten, dass sich der globale Honighandel nicht im Sinne der Verbraucher und Erzeuger entwickeln wird. Umso mehr ist zu empfehlen, sich in der Region einen Imker des Vertrauens zu suchen. Dort kann man sicher sein, das echte Naturprodukt zu bekommen und gleichzeitig auch noch viel über die faszinierende Welt der Bienen lernen. Wer gerne mal ein exotisches Geschmackserlebnis beim Honig genießen möchte, sollte sich bei fair gehandelten Produkten umschauen.
von Walter Haefeker
Mehr Infos zum Honig gibt es im bienen&natur-Sonderheft Honig&Wachs