Wie wird mein Rasen zur Wiese?

Bunte Blumenwiesen sind immer wunderschön! Warum es sich jedoch lohnt, zugunsten unserer Insekten auf heimische Wildblumen zu setzen, erklärt Ulrike Aufderheide.

Labkraut, Heilziest und Wiesensalbei geben eine bunte Blumenwiese ab und dienen gleichzeitig als wichtige Nahrungsquelle für Honig- und Wildbienen. Foto: Ulrike Aufderheide
Labkraut, Heilziest und Wiesensalbei geben eine bunte Blumenwiese ab und dienen gleichzeitig als wichtige Nahrungsquelle für Honig- und Wildbienen. Foto: Ulrike Aufderheide

Insekten brauchen Blumenwiesen mit heimischen Pflanzen! Natürlich ist die Vorstellung, mit kleinen Samentütchen voller Sommerblumen-Samen mehr Blüten in unsere Gärten zu bringen und dadurch die Artenvielfalt zu retten, durchaus attraktiv. Aber unsere Tiere haben sich im Laufe der Evolution an die einheimischen Pflanzenarten angepasst und können mit Hochertragssorten oder exotischen Arten meist wenig oder auch gar nichts anfangen. Nur die Generalisten unter den Insekten, wie Honigbienen und Hummeln, sind nicht wählerisch und sammeln ihren Nektar überall. Viele andere jedoch, vor allem Insekten, die – wie Schmetterlingsraupen – an den Blättern fressen, können mit diesen Pflanzen nichts anfangen.

Aber woher wissen wir, welche Blumen zu einer echten heimischen Wiese gehören?

Blumenwiesen gibt es, seitdem Heu als Winterfutter für die Tiere gewonnen wird, also seit etwa 2500 Jahren. Was die Bauern ernten wollten, waren natürlich keine Blumen, sondern möglichst viel Futter für ihr Vieh, und die größte Masse bringt eben das Gras. Blumen gab es dort nur deshalb, weil sie ideale Bedingungen vorfanden: Eine offene Narbe, wo sie sich immer wieder aussäen konnten, ausreichend Zeit zwischen den Mahdgängen, um zu blühen und Samen auszubilden, und keine Konkurrenz durch Gehölze. Solche Wiesen sind ein Paradies für unzählige Insekten, die dort genau die Pflanzen finden, an die sie sich seit Jahrhunderttausenden angepasst haben. Die Intensivierung unserer Landwirtschaft mit dem Einsatz von Kunstdünger und häufiger Mahd bereitete den typischen Blumenwiesen ein Ende und verwandelte ehemals artenreiche Flächen in artenarme Grasfluren.

Wenn man eine artenreiche Blumenwiese durch Düngen und häufige Mahd in eine artenarme Futterwiese umwandeln kann, geht das dann nicht auch andersherum?

Können wir eine Fläche dadurch, dass wir nicht düngen und seltener mähen, wieder in eine Blumenwiese zurück verwandeln? Die Antwort ist: Ja, aber! Es muss schon ein aktives Zurückverwandeln sein, denn die Arten der früheren Blumenwiese müssen noch vorhanden sein. Pflanzen können nur wenige Meter weit wandern, wachsen also nicht einige von ihnen direkt auf der Fläche oder in unmittelbarer Nähe, werden sie nie auf meinem Rasen auftauchen. Außerdem sind die Rasengräser absichtlich so gezüchtet, dass sie konkurrenzstark sind und die Rasenunkräuter verdrängen.

Die gute Nachricht: Es ist nicht nötig, die ganze Fläche umzubrechen, sondern es genügt, wenn wir auf einigen Streifen Wildblumen säen und die Pflege der gesamten Fläche umstellen. Von diesen Streifen aus können sich die Pflanzen dann auf der gesamten Fläche ausbreiten. Wollen wir eine Blumenwiese anlegen, ist ein gut vorbereitetes Saatbett Voraussetzung – frei von Bewuchs und konkurrenzstarken Pflanzen wie stumpfblättrigem Ampfer oder Ackerwinde. Ausgesät wird im Frühjahr, wenn der Löwenzahn blüht und der Boden noch feucht ist, oder im Herbst, wenn die Sommerhitze vorüber ist.

Nach der letzten Bodenlockerung sollte der Boden sich absetzen, damit die Feuchtigkeit von unten aufsteigen kann. Für die Aussaat benötigen wir nur wenige Gramm pro Quadratmeter, deshalb verteilen wir das Saatgut mit einem Saathelfer, beispielsweise leicht feuchtem Sand. Auch feinstes Saatgut, wie Glockenblumensamen, bleibt an den Sandkörnern kleben und wird nicht vom Winde verweht.

Mein Tipp: Die Saatgut-Sand-Mischung in zwei Hälften teilen und mit jeder Hälfte die gesamte Fläche einsäen. Wenn wir uns beim ersten Mal verschätzt haben, können wir beim zweiten die Lücken füllen. Den zweiten Gang säen wir rechtwinklig zum ersten ein, also kreuzweise. Anschließend das Saatgut nur anwalzen, denn Wildblumen sind Lichtkeimer. Nun heißt es abwarten, denn Wildblumen laufen langsam auf, manchmal erst nach Monaten.

Mahd ist immer eine Katastrophe

Eine gelungene Einsaat sieht anfangs immer lückenhaft aus. Ist der Boden von oben nicht mehr zu sehen, wird zum ersten Mal geschnitten. Zumeist wachsen zu Beginn nicht die Arten, die wir eingesät haben am stärksten, sondern einjährige Beikräuter wie Melde oder Gänsedistel. Für diesen Schröpfschnitt nutzen wir Sense oder Sichel – auf keinen Fall den Rasenmäher, denn dieser würde die frisch gekeimten Pflanzen aus dem Boden ziehen. Im ersten Jahr mähen wir die Fläche häufiger, pflegen sie also fast wie einen Rasen. Dadurch bestocken die jungen Kräuter und investieren in Wurzeln, statt frühreif zu blühen und danach ihr Leben zu beenden. In den folgenden Jahren mähen wir erst, wenn die Margeriten anfangen zu verblühen. Die zweite Mahd folgt, wenn die Pflanzen kniehoch nachgewachsen sind. Wenn nötig, mähen wir noch ein drittes Mal vor dem Winter. Das Mahdgut räumen wir nicht ab, sondern trocknen und wenden es zunächst auf der Fläche und harken erst später ab. So können die Samen noch abfallen und sich verteilen.

Jede Mahd ist eine Katastrophe für die Insekten. Wird gar die gesamte Fläche auf einmal abgemäht, ist unser Insektenparadies plötzlich verschwunden – ganz abgesehen von den Tieren, die durch die Mahd selbst geschädigt werden. Denn eine Schmetterlingspuppe, die mit dem Heu auf dem Kompost landet, kann sich nicht mehr zum Schmetterling entwickeln, sondern stirbt. Deshalb lassen wir immer einige Bereiche stehen und mähen sie erst beim nächsten Mal ab. Am Rand können die Pflanzen auch länger stehenbleiben, denn trockene Staudenstängel bieten wertvollen Nist- und Lebensraum.

Zurück zur Blumenwiese

Mit einem Spielrasen haben Blumenwiesen wenig zu tun, denn sie brauchen eine offene Narbe und werden am besten nur zur Mahd betreten. Letztendlich können wir eine Blumenwiese eher mit einem Staudenbeet vergleichen – auch dies wird ja nur zur Pflege betreten, und der Boden muss vor einer Neuanlage rein sein. Ein Staudenbeet anzulegen, ist allerdings ungleich teurer, denn selbst das hochwertigste Saatgut für eine Blumenwiese mit Wildpflanzen kostet nur einen halben Euro je Quadratmeter. Das richtige Wiesenblumen-Saatgut gibt es allerdings (noch) nicht im Gartencenter, sondern nur bei spezialisierten Betrieben, die echte einheimische Wildpflanzen vermehren. Die im konventionellen Handel erhältlichen Saatmischungen enthalten meist exotische Arten oder landwirtschaftliche Zuchtsorten. Im ersten Jahr sehen diese Einsaaten mit Klatschmohn, Kornblume und Kornrade zwar wunderschön aus, aber sie gehören nicht auf die Blumenwiese, weil sie als Ackerunkräuter auf den jährlichen Umbruch des Bodens angewiesen sind. In den Folgejahren werden solche Pflanzen von den konkurrenzstarken Grassorten verdrängt, und bald gibt es nur noch Gras, und es blüht kaum noch etwas.

Pflanzen und Saatgut von echten einheimischen Wildpflanzen für Blumenkräuterrasen – finden Sie bei den Fachbetrieben für naturnahes Grün – empfohlen von Bioland oder auf der grünen Landkarte des Projekts „Tausende Gärten – Tausende Arten“. Seit 2020 werden in diesem Projekt Stauden für den sonnigen und den eher schattigen Balkon angeboten, die natürlich auch im Garten gepflanzt werden können. Dazu einige Arten, mit denen sich ein langweiliger Gebrauchsrasen in einen Wildblumenkräuterrasen verwandeln lässt, sowie eine Saatgutmischung mit dem Namen „Wildblüten für Garten und Balkon“ für höhere Wildstauden, die Sie an Hecken, an Zäunen und auf dem Balkon aussäen können. Echte heimische Blumenwiesen sind dauerhaft: Einmal angelegt, existieren sie so lange, wie wir ihnen die richtige Pflege zukommen lassen.

Buchtipp: Mehr zu diesem Thema könnt ihr auch im Buch “Rasen und Wiesen im naturnahen Garten” von Ulrike Aufderheide lesen: pala-verlag Darmstadt 2011, 180 Seiten, Preis 16 Euro, ISBN 978-3-89566-274-4.

von Ulrike Aufderheide

Interesse an einem Schnupperabo? Hier klicken und drei Monate testen.

Hummeln füttern im Frühjahr