Sollen Imker im Frühjahr eine Tracht simulieren, indem sie füttern, damit die Bienen mehr brüten? Die Reizfütterung ist umstritten. Armin Spürgin stellt verschiedene Methoden vor und sagt, wann man sich die Fütterung sparen kann
Die Reizfütterung – eine umstrittene Praxis
Die einen lehnen die Reizfütterung ab, die anderen sind begeistert davon. Kritiker der Reizfütterung überlassen den Bien sich selbst. Er soll sich aus eigener Kraft so entwickeln, wie es Witterung und Tracht vorgeben. Sie zweifeln am Effekt einer Trachtsimulation, sehen sie gar als schädlich an. Imker, die ihre Bienen reizfüttern, kümmern sich gern um ihre Völker und wollen ihnen helfen den Brutumsatz anzukurbeln. Einem Imker, der reizfüttert, verhungert im Frühjahr auch seltener ein Volk.
Wann macht die Reizfütterung Sinn?
Eine Reizfütterung ist stark von Standort, Trachtangebot und Witterung abhängig. Wenn am Bienenstand Weiden, Kirschen oder Zwetschen blühen, muss man die Bienen nicht zusätzlich füttern. In kargen Gegenden sieht es bei schlechtem Wetter anders aus. Man kann zwar mit den Bienen wandern, aber nicht das Wetter beeinflussen. Ab der Weidenblüte sollte jeder die Frühjahrsnachschau machen und entscheiden, ob er die Bienen reizen will oder nicht
Reizung ohne Reizfütterung
Auch wer keine Reizfütterung macht, schaut nach den Bienen: Er tauscht schlechte Waben, rückt vielleicht den Bienensitz in die Mitte, entfernt das untere Magazin oder gibt die ersten Mittelwände. Sobald der Imker raucht, stürzen sich Bienen auf das verdeckelte Futter, denn offenes Futter gibt es früh im Jahr kaum. Da die Bienen die Futterzellen nicht wieder schließen, tragen sie das Futter in den brutnahen Bereich, oder wenn es dort zu eng wird in entlegenere Bereiche, um Platz für die Brut zu schaffen. Jeder Eingriff ist also eine kleine Reizung.
Futterwaben anritzen
Diesen Effekt können wir Imker verstärken, indem wir mit dem Stockmeißel über die Futterzellen fahren und die Zelldeckel bewusst verletzen – bevorzugt bei Futterwaben oder -kränzen über der Brut. Bei einräumigen Völkern auch daneben. So werden die Bienen animiert, tragen das Futter um und verbrauchen es. Einem normal entwickelten Volk drückt man drei, einem schwächeren nur eine Wabe auf. Ist das Volk spät im Frühjahr schon stark, kann man auch aufgedrückte Futterwaben zwischen die Brut hängen.
Reizfütterung mit Zucker und Honig
Bei kaltem Wetter öffne ich die Bienen nicht und ziehe keine Waben – kann sie trotzdem klassisch füttern. Manche bevorzugen eine Futtertasche, mit der man schwache Völker auch einengen kann. Ich nehme ein niedriges Futtergeschirr im Deckel, der mit einer Isolierplatte abgedeckt wird. So staut sich oben die aufsteigende Wärme und die Bienen folgen ihr zum Futter. Füttern kann man mit Futterteig oder Honig. Eine Fütterung im Boden ist nur sinnvoll, wenn es warm bleibt, sonst ziehen sich die Bienen oben zusammen und nehmen es unten nicht ab.
Aus Futterwaben werden Brutwaben
Etwas mehr Fürsorge ist besser, als zu wenig. Wenn das Volk noch genug Futterwaben hat, sollte man diese aufdrücken, anstatt noch mehr zu füttern. Fette Futterreserven sind doppelt gut. Sie bringen die Bienen über den Winter und unterstützen sie in der Frühjahrsentwicklung: Aus Futterwaben werden Brutwaben. Bevor man den Honigraum aufsetzt, entnimmt man überschüssige Futterwaben bis auf eine Reserve (in jeder Zarge beidseitig eine Wabe). Sie dienen später den Jungvölkern als Starthilfe.
Historische Quellen zur Reizfütterung
Schon Altmeister Karl Pfefferle (1918-2009) unterschied zwischen Futtervorrat und Futterumsatz, also Eintrag. Die verdeckelten Futterreserven des überwinterten Volkes verglich er oft mit einer Million auf einem Sperrkonto. Man ist reich, muss aber dennoch sparsam leben. Die Bienen greifen die verdeckelten Vorräte nur verhalten an. Erst wenn wir die Zellen anritzen und öffnen, haben die Bienen Futter im Überfluss.
Dr. Hans Georg Sachs (1922-1992), Hohenheim, nannte das Bienenvolk eine Wohlstandsgesellschaft. Während Mangelsituationen Menschen bis zu einem gewissen Grad zu Höchstleistungen anspornen, schonen sich Bienen, wenn ihnen etwas fehlt. Bei einem Witterungsrückschlag oder einer langen Trachtpause legt die Königin beispielsweise nicht mehr oder die Bienen räumen im Extremfall die offene Brut aus.
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