Hin und wieder berichten uns Imker über das zumeist friedliche Miteinander von Bienen und Waldameisen. Manchmal gibt es aber auch negative Beobachtungen. Zu einer aktuellen Leseranfrage baten wir Helmut Hintermeier um Auskunft.
Frage: Neben meinem Waldbienenstand auf der Hohlen Sohl (Hessen) in 510 m Höhe wächst nur zwei bis drei Meter entfernt ein Waldameisenhügel, der immer größer wird. Die Ameisen laufen auf dem Boden der Beute herum und schleppen tote Bienen weg. Ansonsten lebt das Bienenvolk unbeschädigt weiter. Als Imker und Ameisenfreund frage ich mich besorgt: Kann das gut gehen?
Manfred Jentzen, 63639 Flörsbachtal
Antwort: Zunächst möchte ich meine eigenen Beobachtungen anführen: Schon kurz nach dem Bau meines am Waldrand gelegenen Bienenhauses (1975) errichtete in nur 4m Entfernung die Rote Waldameise ihre gewaltige, überwiegend aus Fichtennadeln aufgeworfene „Burg“. Die Ameisen drangen weder in das Bienenhaus, noch in die 15Stöcke ein (Hintermeier, 2010), beseitigten aber laufend die vor der Flugfront des Bienenhauses anfallenden toten Bienen, so dass sich meine Beobachtungen mit den von Manfred Jentzen mitgeteilten decken. Auch in der Ameisen-Fachliteratur finden sich keine Hinweise über eine Beeinträchtigung der Bienen durch Waldameisen. In der 2012 erschienenen einbändigen Neuauflage von Gößwalds Werk über die Waldameise sind 12Seiten der „Förderung der Bienen und der Waldhonigtracht“ gewidmet. Das letzte Kapitel „Was der Imker noch wissen muss“ befasst sich mit den für optimale Aufstellung von Bienenstöcken wichtigen Faktoren, enthält aber keine Angaben über die Abwehr möglicher Ameisenschäden. Auch in dem umfassenden neuzeitlichen Standardwerk von Seifert (2007) finden sich keine Hinweise über Bienenschäden durch Waldameisen, wohl aber über deren „Leichenbeseitigungsfunktion“.
Gefährdet: schwache Völker
In der Bienenliteratur befassen sich Zander/Berner sehr ausführlich mit der „Nutzung von Tautrachten in Ameisenwäldern“ und empfehlen einen warmen, windstillen Platz für die Wandervölker in möglichst ameisenreichen Waldgebieten. Nach Büdel/Herold (1960) sollten bei der Platzierung der Völker jedoch „gewisse Mindestabstände zwischen Waldameisenkolonien und Aufstellungsplatz der Bienenwanderstände gewahrt bleiben oder aber die Wanderstände mit Nelkenöl u. a. Repellents vor Ameisenbelauf geschützt werden“. Diesen Rat gibt auch Orlinski (www.bee-info.de/bienenkrankheiten/bienen-schaedlinge-hautfluegler.html): „Wer seine Beuten auf Böcke stellt, kann die Pfosten mit Raupenleim bestreichen oder die Fußenden in Büchsen mit Dieselöl stellen. Man kann Karbolineum und Nelkenöl verstreuen, welches aber nur kurzzeitig hilft“. Hier muss jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass Waldameisen zu den besonders geschützten Insektenarten zählen, so dass sich alle Maßnahmen verbieten, die mit dem Töten der Tiere verbunden sind. Dies gilt selbstverständlich auch für Dieselöl und andere ökologisch unvertretbare Flüssigkeiten. Nach Orlinski können Waldameisen durchaus Schaden in Bienenstöcken anrichten: „In der Regel kümmern sich die Ameisen nicht um die Bienen. Bienenvölker können direkt neben großen Ameisenkolonien stehen, ohne dass sie belästigt werden … Zusammenstöße zwischen Bienen und Ameisen sind aber nicht unmöglich. Besonders die großen, hügelbauenden Formica-Arten können den Bienen gelegentlich gefährlich werden. Solange sie nur geschwächte oder tote Bienen erbeuten, sind sie harmlos. Es kommt vor, dass sie in Bienenvölker eindringen und sowohl Honigvorrat als auch Bienenbrut rauben. Dies geschieht mit schwachen Völkern, deren Flugloch wenig bewacht wird“.
Reichliche Entlohnung
Sowohl in der Ameisen- wie Bienenfachliteratur sind sich alle Autoren darüber einig, dass sich auch Imker für den Waldameisen-Schutz engagieren sollten (Gößwald 2012, Pritsch 2007, Voigt 2002, Zeiler 1989). Die unerreicht nützlichste von acht heimischen Waldameisenarten ist die Kleine Waldameise Formica polycenta. Die Imker werden für ihren Einsatz reichlich belohnt: Nach Ruppertshofen (1972) sind die von Waldameisen geförderten Lachnidenherden im Mittel 10Mal stärker als der übrige Lachnidenbesatz im Wald. „Gemäß zahlreicher Feststellungen in mehreren Trachtgebieten betrug die Mehrleistung in Wäldern mit Waldameisen in guten Trachtjahren 35%, in normalen Jahren 75%, in schlechten Jahren 158% der Tracht in ameisenfreien Zonen. Der Erfolg stationärer Imker kann noch größer sein … Die Honigtaumenge, welche von den Waldameisen selbst nicht aufgenommen wird, ist 300 – 400Mal größer im Ameisenwald als ohne Waldameisen“ (Gößwald 2012). Daher die Empfehlung von Zander/Berner (1979): „Gerade in nassen und kühlen Sommern sollten die Imker mit ihren Bienen in die Nähe von Ameisenkolonien wandern“.
Der ökologische Aspekt
Wer sich in die ökologische Rolle der Waldimkerei und Ameisenhege in der Gesamtbiozönose Wald vertiefen möchte, dem sei neben dem Grundlagenwerk von Gößwald das 2002 erschienene Büchlein von Wolfgang Voigt „Die Honigbiene im Kreislauf des Waldes“ (Frieling & Partner GmbH Berlin) empfohlen. „Die Verdrängung der Honigbiene aus dem Wald ist eine der ersten Ursachen für den Beginn des Rückgangs der Hügel bauenden Waldameisen und der von ihnen abhängigen Tier- und Pflanzenarten in den vergangenen Jahrhunderten“. Der Autor möchte daher die Waldimkerei mit ihrer großen Menge absterbender Honigbienen und das Gedeihen der Waldameisenbestände infolge des verbesserten (Eiweiß-) Nahrungsangebotes in einen bisher noch nicht erkannten Zusammenhang bringen. Eine Grafik veranschaulicht den natürlichen Kreislauf gegenseitiger Förderung und Abhängigkeit der drei Faktoren: Waldameisen (Formica rufa-Gruppe) – Honigtau liefernde Blattläuse – Honigbienen aus Waldimkerei. Wie Voigt überzeugend aufzeigt, kommen Waldbienenhaltung und Ameisenschutz der ganzen Lebensgemeinschaft Wald zugute. So liegt die Zahl der Gäste, die in Ameisennestern leben, bei etwa 3.000Arten, darunter bis zu 70Käferarten. Und auch hier gilt: „Wo Bienen leben, ist die Natur vielfältiger“.
Helmut Hintermeier
Ringstraße 2, 91605 Gallmersgarten