Der LeClaire-LB-Zucht-auf-dem-richtigen-Weg?, Züchter aus Bochum, in der Dezemberausgabe von bienen&natur erschien uns in der Redaktion in einigen Punkten sehr wohl als „kritisch“. Dennoch haben wir ihn zur Anregung und Diskussion veröffentlicht. Wie es scheint zurecht, denn es gab dazu doch ausführlichen Widerspruch, den wir in der Januarausgabe 2018 gekürzt veröffentlich haben. Nachfolgend die ungekürzten Stellungnahmen.
Gesunde Drohnenvölker auf Norderney!
Dr. Ralph Büchler Ralph (Buechler@llh.hessen.de)
Beim Aufschlagen der Dezember Ausgabe von bienen&natur wurde ich von dem Leserbrief von Herrn Le Claire überrascht, in dem er behauptet, auf der Belegstelle Norderney seien 2017 „CBPV-Drohnenvölker“ aufgestellt gewesen. Diese Behauptung ist falsch und irreführend, allenfalls dazu angetan, Verunsicherung zu streuen und gute Zuchtarbeit in Misskredit zu bringen!
Richtig ist, dass der Gesundheitszustand der Drohnenvölker auf Norderney regelmäßig und sorgfältig durch den Belegstellenwart, Herrn Ottersbach, kontrolliert wird und über die ganze Saison 2017 hinweg keine CBPV (Chronische Bienenparalyse Virus) Symptome gezeigt haben. Das in Kirchhain geprüfte und ausgelesene Vatervolk (7-139-1040-2014) stand für etwa drei Jahre unter Beobachtung und war vollständig befallsfrei. Und auch bei den 2017 auf Norderney gepaarten Königinnen sind bislang keine CBPV Symptome gesichtet worden, so auch nicht von Herrn Le Claire bei den von ihm abgetöteten Königinnen!
Was also drängt zu einem derartigen Beitrag?
Seit einer 1964 veröffentlichten Untersuchung von Drescher ist bekannt, dass es genetisch bedingte Anfälligkeitsunterschiede für die damals noch als Schwarzsucht bezeichnet CBPV Erkrankung gibt. Allerdings sind die zugrunde liegenden genetischen Mechanismen bis heute ungeklärt und es ist offensichtlich, dass bestimmte Umwelt- und Trachtverhältnisse entscheidend dazu beitragen, ob es zu einem Ausbruch der Krankheit kommt.
Während CBPV in Deutschland jahrzentelang kaum zu beobachten war, ist es in zurückliegenden Jahren gebietsweise zu einer starken Verbreitung gekommen. Dies lässt sich beispielsweise gut anhand der Zahlen des Deutschen Monitoring Programms (s. https://bienenmonitoring.uni-hohenheim.de/ergebnisse) nachvollziehen. Dabei konnte kein Zusammenhang mit bestimmten Rassen oder Zuchtlinien hergestellt werden. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass es zu regionalen Befallsschüben kommt, die auch ohne Wechsel des Zuchtmaterials oder der Betriebsweisen nach ein paar Jahren abklingen.
Als vor ein paar Jahren eine CBPV-Befallswelle erstmals auch Prüfstände des Kirchhainer Instituts erreicht hat, haben wir alle Symptome sorgfältig registriert und uns dafür eingesetzt, dass diese zusammen mit allen Prüfdaten in Beebreed erfasst werden können. Wir haben auch im Rahmen von Züchtertagungen wiederholt darüber berichtet, um andere zu sensibilisieren und vor der Vermehrung anfälliger Völker zu warnen. Offenbar wird nun genau diese rationale und gewissenhafte Vorgehensweise zum Stolperstein, mit erhobenem Zeigefinger vor Kirchhainer Zuchtmaterial zu warnen.
Selbstverständlich ziehen wir nicht von Völkern nach, die sich als anfällig erwiesen haben. Soweit es mir bekannt ist (durch den Austausch mit anderen Züchtern sind nicht alle Völker in Kirchhain geprüft worden), sind sämtliche Vorfahren der Drohnenvölker auf Norderney frei von CBPV gewesen. Gleichwohl kann, solange kein zuverlässiger Resistenztest verfügbar ist, kein gewissenhafter Züchter, wie von Herrn Le Claire gefordert, garantieren, nicht von potenziell kranken Völkern nachzuziehen.
Herr Le Claire konnte sich im Vorfeld der Belegstellenbeschickung über die Abstammung informieren und bei seinem Besuch auf Norderney am 6. Juni 2017 einen eigenen Eindruck von dem Gesundheitszustand der Drohnenvölker verschaffen. Ich habe ihn per Email am 07.September 2017 und in langer Diskussion anlässlich der westfälischen Züchtertagung am 21. Oktober 2017 in Haus Düsse über unsere sorgfältige Auslese und die Befallsfreiheit aller Zuchtvölker informiert. Warum er diese Informationen nicht würdigt, verstehe ich nicht. Dass er nicht davor zurückschreckt, andere Imker derartig zu verunsichern, hinterlässt ein ungutes Gefühl!
Literaturhinweis:
Drescher W (1964) Beobachtungen zur unterschiedlichen erblichen Disposition von Zuchtlinien von Apis mellifica L. für die Schwarzsucht, Zeitschrift für Bienenforschung, 7 (4), 116-124
Züchter arbeiten verantwortungsbewußt!
Karl-Friedrich Tiesler (fk.tiesler@tiesler-bau.de)
In seinem Beitrag stellt A. Le Claire die gegenwärtige Zuchtpraxis in vielen Dingen pauschal in Frage. Zunächst behauptet er- ohne dafür auch nur in geringster Weise einen Beweis anzutreten- die Drohnenvölker des Jahres 2017 auf der Inselbelegstelle Norderney würden eine „genetische Disposition“ für das Chronische Bienenparalyse Virus aufweisen. Er schließt seine Behauptung nach mir bekannten Mitteilungen aus der ihm vorliegenden Ahnentafel für die Drohnenvölker. Er habe daher alle Königinnen, die er auf Norderney zur Begattung angeliefert habe, sofort- ohne jegliche Prüfung – abgetötet und beklagt deshalb einen finanziellen Verlust. Dabei sind für jeden Interessierten die Abstammungsunterlagen bekannt (Rundschreiben, bee- breed Portal). Es stellt sich die Frage, warum Herr Le Claire dann überhaupt die Belegstelle beschickt hat.
Die Drohnenvölker für die Inselbelegstellen werden nach strengsten Kriterien von einem Gremium von Züchtern ausgewählt, wobei die Widerstandsfähigkeit ein ganz wesentliches Auslesekriterium darstellt. Viele der Züchter, die die Königinnen für die Drohnenvölker stellen, sind zudem Mitglied in der AGT. Ihr oberstes Zuchtziel ist die Widerstandsfähigkeit und Vitalität ihrer Völker. Sie würden niemals von Völkern mit Krankheitssymptomen nachzüchten. Die Drohnenvölker auf den Inseln werden zudem nicht nur von den Belegstellenleitern, sondern auch von versierten Züchtern kontrolliert. Geschwisterköniginnen zu den Drohnenvölkern befinden sich auch auf anderen Ständen in der Prüfung.
Aus Beschickerkreisen der Inselbelegstelle Norderney sind weder aus den vergangenen Jahren noch aus dem Jahre 2017 Informationen über das Auftreten von CBPV eingegangen. Auch aus den Eintragungen bei bee breed ergeben sich dafür keinerlei Hinweise. Herr Le Claire hat in den letzten 10 Jahren die Inselbelegstelle Norderney nicht beschickt, erstmals 2017. Diese Königinnen hat er- ohne jegliche Prüfung- abgetötet. Die Behauptung, über Norderney werde CBPV verbreitet, entbehrt jeglicher Grundlage.
Falsch sind auch die anderen Behauptungen, wie Fehlpaarungen werden nicht erkannt oder fremdrassige Bienen würden in die Carnica- Population eingeführt. Auch hier fehlt jeglicher Beweis. Alle als 4a vorgesehenen Völker als auch die Drohnenvölker selbst werden merkmalsmäßig beurteilt. Eine Einkreuzung fremdrassiger Bienen in unsere Carnica – Population von Seiten der anerkannten Züchter ist nicht zulässig und ist mir als Zuchtbeirat nicht bekannt.
Auch die Behauptung, das gegenwärtige Zuchtsystem mit der Zuchtwertschätzung führt zu einer Genverarmung, ist schlichtweg falsch. Im Gegenteil: Da die Abstammung der Drohnenvölker rechtzeitig vor der Zuchtsaison bekannt gegeben wird, hat jeder Züchter die Möglichkeit, über das bee- breed Portal fiktive Inzuchtwerte von Arbeitsbienen seiner Königinnen bei Beschickung bestimmter Belegstellen im Vorfeld zu ermitteln.
Bei der Besetzung der Inselbelegstellen wird darauf geachtet, dass die Drohnenvölker – mit Ausnahme von Spiekeroog – jährlich gewechselt werden. Für die künstliche Besamung, die von vielen Züchtern genutzt wird, werden grundsätzlich andere Vater(4a)völker als auf den Inseln eingesetzt. Die von Herrn Le Claire auf der Züchtertagung in Schleswig Holstein am 25.08.2017 ausgesprochene Empfehlung, man solle in kleinen Populationen innerhalb von Züchterringen arbeiten, führt hingegen schnell zu Inzuchterscheinungen, wie wir hinlänglich aus früheren Beobachtungen wissen, wo ein Züchterring häufig Zucht- und Drohnenvölker für Belegstellen lieferte.
Durch die Zuchtwertschätzung ist es gelungen, dass die Züchter in einer großen Population eng zusammen arbeiten. Die Zuchtarbeit ist transparent und jeder erkennt, wo qualifizierte Zuchtarbeit geleistet wird. Die pauschalen, in keiner Weise belegten Behauptungen des Herrn le Claire beschädigen die sorgfältige Arbeit vieler Züchter und sind für eine fruchtbare Zusammenarbeit wenig hilfreich. Sie führen lediglich zu einer Verunsicherung und geben denjenigen Anlass zu Kritik, die keine Kenntnisse über qualifizierte Zuchtarbeit haben und jeglicher Zuchtarbeit ablehnend gegenüberstehen.
War bei der Zucht früher alles besser?
Prof. Dr. Kaspar Bienefeld
kaspar.bienefeld@hu-berlin.de
Institut für Bienenkunde Hohen Neuendorf
In einem Leserbrief in der Dezember-Ausgabe von Biene & Natur beschrieb Herr Le Claire – unter anderem- auch ein sehr düsteres Bild der Zuchtwertschätzung. Die Fakten unterstützen seine Einschätzung nicht. Die Zuchtwertschätzung hat sich seit über 20 Jahren bei der Honigbiene bewährt. Seit der Einführung stieg der genetische Fortschritt bei allen Merkmalen um ein Mehrfaches und die steigende weltweite Nachfrage nach selektierten Carnica ist ein weiterer Beweis für die Effizienz der verwendeten mathematischen Methoden. Dass diese von Manchen als zu kompliziert angesehen werden, spricht nicht gegen die verwendeten Methoden.
Bei der Berechnung des Gesamtzuchtwertes werden die verschiedenen Zuchtmerkmale unter Berücksichtigung ihrer Erblichkeiten, der genetischen Beziehungen zwischen den Merkmalen und deren unterschiedlicher Bedeutung für den Züchter zu einer einzigen Zahl, dem Gesamtzuchtwert, kombiniert. Die Selektionsentscheidung ist bei mehreren Merkmalen extrem schwierig, muss man doch entscheiden, bei welchen Merkmalen man Kompromisse zugunsten anderer Merkmale macht, die einem wichtiger erscheinen.Der Wunsch, hierbei Hilfestellung zu bekommen, kam von den Züchtern. Der Gesamtzuchtwert ist ein objektiver Vorschlag, bei dessen Umsetzung der Zuchterfolg bei allen Merkmalen in die gewünschte Richtung erreicht wird. Der in allen Merkmalen feststellbare Zuchtfortschritt belegt, dass das Konzept aufgegangen ist.
Es ist übrigens nicht wahr, dass es seit Beginn der Zuchtwertschätzung zu einer dramatischen Verringerung der genetischen Vielfalt gekommen ist. Der Anstieg der Inzucht ist nach dem Beginn der Zuchtwertschätzung geringer als vor der Zuchtwertschätzung.Dies ist gerade durch die Zuchtwertschätzung zu erklären. Gründe:
- Größere Vernetzung der gesamten Carnica-Population,
- überhöhte Inzucht kann bei geplanten Nachkommen durch das Programm Beebreed.eu vor der Verpaarung der Eltern erkannt und dann verhindert werden,
- im Gesamtzuchtwert können andere Gewichte als der Standard (40% für Varroa-Resistenz, 15% für Honig etc.) von den einzelnen Züchtern frei gewählt werden, sodass die Wahl nicht, wie vermutet, immer auf die gleichen Königinnen fällt.
Dass aber bei jeder Selektion vermehrt die als besser angesehenen Tiere zum Einsatz kommen und es damit zu einer Veränderung der Population kommt, ist erstens das erklärte Ziel der Zucht und zweitens nicht auf Populationen beschränkt, in denen Zuchtwertschätzung/ein Gesamtzuchtwert zum Einsatz kommt.Die Frage ist, wird durch das verwendete Zuchtverfahren die genetische Vielfalt in der Zucht- bzw. in der Gesamtpopulation so reduziert, dass die nachhaltige Fortführung der Population gefährdet ist? Es gibt keine Hinweise, dass dies in der heutigen Carnica-Population ein Problem darstellt (Bienefeld 2009, Dt. Bienen Journal 17:388-389).
Doch ein langfristiger Blick tut Not. Im Rahmen des EU-Projektes SmartBees werden zurzeit Simulationen zur Entwicklung der genetischen Vielfalt und des genetischen Fortschritts unter verschiedenen Rahmenbedingungen und über sehr lange Zeiträume (100 Jahre) durchgeführt. Hier stehen zunächst gefährdete Rassen (z.B. Sizilianische oder Maltesische Rasse mit nur wenigen Völkern) im Vordergrund, aber auch die große Zuchtpopulation der Carnica wird im Verlauf des Projektes untersucht. Erste Ergebnisse zeigen, dass z.B. durch die Größe der Geschwistergruppen für die Leistungsprüfung und die Anzahl Eltern pro Generation nachhaltig der Verlust der genetischen Vielfalt beeinflusst werden kann. Empfehlungen über den Kompromiss zwischen genetischem Fortschritt und dem nachhaltigen Erhalt der genetischen Vielfalt sind wichtige Ziele des SmartBees Projektes.
Es wird ebenfalls das Projekt GeSeBi kritisiert, weil es lediglich auf Mathematik gegründet sei. Die Genomische Selektion bei der Honigbiene wurde aufgrund eines Wunsches der Zuchtobleute des D.I.B. im Jahre 2011 beim Bundesministerium für Landwirtschaft beantragt und wird zurzeit am LIB erarbeitet. Die Genomische Selektion, bei der Informationen über die Erbanlagen und die übliche Zuchtwertschätzung kombiniert werden, erwies sich bei einigen Tierarten als sehr erfolgsversprechend. Dass hierbei auch mathematische Methoden zum Einsatz kommen, wurde nie bestritten, und es fällt schwer daraus einen prinzipiellen Nachteil abzuleiten. Die Genomische Selektion zeigt besonders bei Merkmalen Vorteile, deren Erfassung teuer und kompliziert ist (z. B. Varroaresistenz). Ein weiterer Vorteil der Genomischen Selektion ist, dass man die Sicherheit der Paarung präzise und den Zustand der genetischen Vielfalt an der Quelle (in den Erbanlagen) direkt messen kann, sodass wir in Zukunft auf Spekulationen verzichten können.
Kommen wir zum Schluss zum Chronischen Bienenparalyse Virus. Seit 2011 besteht die Möglichkeit in beebreed.eu Symptome verschiedener Krankheiten bei einzelnen Königinnen zu erfassen. Für die Kalkbrut, eine Krankheit mit den bisher meisten Meldungen,konnten wir schon genetische Unterschiede zwischen Familien nachweisen. Das LIB macht schon seit Jahren Werbung für die Meldung von Krankheitsdaten und hat auch die Datenbank dahingehend erweitert, um sie einer umfassenden Auswertung zuführen zu können. Die Einträge von Krankheitsdaten in beebreed.eu sind bisher sehr überschaubar, wir brauchen gerade hier deutlich mehr. Der Schwerpunkt der zukünftigen Bienenzucht liegt zweifellos auf dem Gebiet der Krankheitsresistenz und Widerstandskraft von Völkern. Um dieses Ziel zu erreichen,helfen diesbezügliche Daten in beebreed.eu mehr als in Leserbriefen.
Die Zuchtwertschätzung ist ein Angebot an Züchter für die Auswahl geeigneter Königinnen. Jeder kann das Angebot nutzen, keiner muss es.
Hohe Beschickerzahlen und gute Begattungsergebnisse auf Norderney
Detlef und Margret Ottersbach, Belegstellenleitung Norderney (detlef@ottersbach1.de)
Als Leitung der Inselbelegstelle Norderney sind für uns die allgemeinen und pauschalen Behauptungen von Herrn Le Claire, über die Belegstelle werde CBPV verbreitet, nicht nachvollziehbar, zumal er nach unseren Aufzeichnungen in den letzten 10 Jahren – mit Ausnahme von 2017 – die Belegstelle nicht mit Königinnen zur Begattung beschickt hat. Bei den Drohnen des Jahres 2017 erscheint in der 2. Vorfahrengeneration (7b) sogar ein Zuchtvolk von Herrn Le Claire (Kö. ZB. Nr. 18-26-119/2010).
Die Drohnenvölker selbst – 2017 waren es 35 merkmalskonforme Völker – werden sorgfältig geführt und fortlaufend auf ihren Gesundheitszustand überprüft, wobei bei 3 Kontrollen (Frühjahrsdurchsicht, Kontrolle im Mai und Brutentnahme im Juli) zumindest jeweils ein weiterer erfahrener Züchter hinzugezogen wird. Es gilt also das 4-Augen-Prinzip. Neben der Entnahme von Merkmalsproben werden nach AGT-Richtlinien im Frühjahr, Sommer und Herbst Befallskontrollen vorgenommen sowie ein zweimaliger Nadeltest durchgeführt. Alle Beobachtungen und Ergebnisse werden dabei sorgfältig protokolliert und ggf. mit Experten abgeglichen.