Wir in der Lehrimkerei Fischermühle halten unsere Bienen wesensgemäß und lassen sie ihre Waben komplett selbst bauen. Manche Imker aber, die unsere Lehrimkerei besuchen, stellen die Fähigkeit der Völker zum Naturwabenbau in Frage. Deshalb habe ich einmal bei einer Führung einem Imker auf seine Frage „Können denn die Bienen überhaupt bauen?“ etwas salopp geantwortet: „Ja, das hat mehr als 30 Millionen Jahre ganz gut geklappt.“ Also Bienen können Naturbau richtig gut. Und wenn wir Imker die gute fachliche Praxis etwas beherrschen, bringen wir die Bienen auch dazu, uns die Waben mittig ins Rähmchen zu bauen.
Das ist Norbert Poeplau
Norbert Poeplau ist Imkermeister und Betriebsleiter der Lehr- und Versuchsimkerei Fischermühle bei Mellifera e.V. Zuvor hat er viele Jahre eine eigene Demeter-Imkerei geführt und sich in einer Schulbienen-AG engagiert.
Die Mittelwand wurde von Johannes Mehring, Schreinermeister und Imker, 1858 vorgestellt, um die Imkerei rationeller zu machen: Weniger Arbeit am Wabenbau bedeutet mehr Zeit und größere Mengen Honig. Aber sind wir denn wirklich auf den letzten Tropfen Honig angewiesen? Prof. Dr. Jürgen Tautz überschreibt in seinem Buch „Phänomen Honigbiene“ das siebte Kapitel mit dem Titel „Das größte Organ der Bienenkolonie – Wabenbau und Wabenfunktion“. Im Untertitel fasst er zusammen: „Eigenschaften der Waben sind integraler Bestandteil des Superorganismus und tragen damit zur Soziophysiologie des Bienenvolkes bei“. Worüber wir hier also sprechen, ist zentral – vielleicht das Herz des Biens. Das ist meine Überzeugung.
Waben: Herz des Biens
Der Wabenbau ist im Naturzusammenhang das, was das ganze Leben eines Bienenvolkes im Wortsinn trägt. Er ist das erste, worum sich der Bienenschwarm in einer leeren Baumhöhle intensiv kümmert, um zu überleben. Denn nur, wenn der Schwarm das Wabenwerk zügig errichtet und genug Vorratszellen mit Honig und Pollenvorräten füllt, dazu noch genügend große Brutflächen ausbildet, um stark zu werden, kann das Volk den nahenden Winter überleben. Im nächsten Jahr wächst der Naturwabenbau dann weiter, um dem Bienenvolk, voll ausgewachsen mit vielleicht 50.000 bis 60.000 Bienen, als Grundlage für das Leben im Stock zu dienen. Bienen verbringen mehr als 90 Prozent ihres Lebens in oder auf der Wabe. Wen die Entwicklungsdynamik seiner Völker interessiert, kann bereits kurze Zeit nach dem Einlogieren im Kasten an den neu errichteten Waben einiges ablesen. So sind später diejenigen Völker die Zugpferde einer Imkerei, die auch gleich zu Anfang ihr Wabenwerk zügig aufbauen. Dieser Zusammenhang ist wie ein Vitalitätsindex. Bei guter Tracht zeigen sich weitere Unterschiede darin, ob Völker nicht jede neue Zelle mit Nektar füllen, sondern gleich, in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Vorratszellen, auch ihrer Königin ausreichend Zellen für die Anlage des Brutnestes zur Verfügung stellen.
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Zellmaß: bei Naturbau variabel
Seit über 30 Jahren praktizieren wir in unserer Imkerei Naturbau. Beim Nachmessen von Arbeiterinnenzellen zeigte sich, dass die Bienen mit der Zellgröße im Naturwabenbau variabel umgehen. Es entstehen Zellen, die größer als unser Normmaß von 5,4 mm sind, aber auch kleinere. Die Individualität des Bienenvolkes zeigt sich also bis in das Zellmaß hinein. Durch überwiegenden Einsatz von Mittelwänden ist das Zellmaß von 5,4 mm in der imkerlichen Praxis zu einem indirekten Selektionskriterium in der Bienenzucht geworden. Dabei wird individuelle Ausprägung möglichst durch Gleichmaß ersetzt.
Bienen haben ein extrem feines Geruchs- und Geschmacksempfinden und können feinste
Bestandteile des Bienenwachses differenziert erkennen. Dies ermöglicht ihnen die sichere
Orientierung im Stock, die durch vielfachen Wabentausch mit Fremdwachs oft gestört wird. In der Natur ist der Wabenbau oft das letzte, was nach dem Tod eines Volkes von der Wachsmotte beseitigt wird – wenn nicht ein Schwarm ihr zuvorkommt und die Höhlung so attraktiv findet, dass sie auf dem alten Wabenwerk mit Zellenfüllen und Brutnestpflege voll durchstarten. Jeder Imker weiß, dass Bienen alte gebrauchte Waben den frischen Waben oder Mittelwänden vorziehen, wenn sie einem Volk zugehängt werden.
Fälschung bei Naturbau ausgeschlossen
Wer ausschließlich mit Naturbau arbeitet, braucht auch keine Angst vor Wachsverfälschung zu haben. In den letzten Jahren sind immer wieder Panschereien vorgekommen. Dadurch ist der Preis, besonders für zertifiziertes Bio-Wachs, deutlich angestiegen, was wiederum zum Untermischen von billigen Ersatzstoffen anreizt. Ein Teufelskreis. Als Imker, der ausschließlich mit Naturwabenbau in Bruträumen arbeitet und nur Mittelwände aus eigener Imkerei bei Bedarf im Honigraum einsetzt, kann ich mich diesbezüglich sehr entspannt zurücklehnen. Kein Wachs ist unbelasteter von Agrarchemie und Behandlungsmitteln als frischer Naturwabenbau. Deshalb sollten wir uns für die Gesundheit unserer Völker verpflichtet fühlen, ihnen Naturwabenbau weitestgehend zu ermöglichen.